Flensburger Bahnhofswald gerettet
Verwaltungsgericht hebt Baugenehmigung für Flensburger Bahnhofshotel auf
Sieg für BUND und Bürgerinitiative
Wert des Naturraums nicht ausreichend berücksichtigt
Kiel/ Schleswig. Die Klage gegen den Bau eines Hotels und eines Parkhauses im Flensburger Bahnhofswald war erfolgreich, das Verwaltungsgericht Schleswig hat die Baugenehmigung aufgehoben. Damit gab es der Klage des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Schleswig-Holstein e. V. (BUND SH) statt.
Das Gericht erklärte, dass die Baugenehmigung vom Januar 2021 gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt. Auch der zugrundeliegende Bebauungsplan 303, den die Stadt Flensburg im Juni 2020 beschlossen hatte, verstoße gegen Umweltvorschriften. Er leide unter Prognose- und Abwägungsfehlern, berücksichtige die Interessen des Biotop- und Artenschutzes nicht hinreichend und sei damit insgesamt rechtswidrig.
Das Verwaltungsgericht kritisierte insbesondere, dass die Stadt Flensburg nicht ausreichend geprüft habe, wie sich das Bauvorhaben auf den bewaldeten Steilhang an der Bahnhofstraße auswirkt. Er ist mit Laubwald bestanden und wurde in einer Biotopkartierung als gesetzlich geschützter Biotoptyp „Artenreicher Steilhang“ bewertet. Laut Bebauungsplan sollte ein Teil der Bäume gefällt werden und stattdessen eine so genannte Hochstaudenflur am Steilhang wachsen. Wie sich das jedoch auf die kartierten 32 Brutvogel- und vier Fledermausarten auswirkt, hatte die Stadt nicht geprüft.
Das geplante Baugebiet war bis in die Nachkriegszeit als Bachtal und Naherholungsgebiet bekannt. Erst auf Drängen von Naturschützer*innen wurde kurz vor der Aufstellung des Bebauungsplans eine seit langem bekannte Quelle im Baufeld amtlich festgestellt, ein ebenfalls gesetzlich geschütztes Biotop. Die grundsätzlich verbotene Beeinträchtigung des Biotops wurde in der Abwägung der Interessen jedoch nicht berücksichtigt. Das Gericht bewertete das als Abwägungsfehler. Es sei nicht nachvollziehbar, dass wirtschaftliche Interessen des Hotel-Investors über die Schutzwürdigkeit des offensichtlich sehr hochwertigen Naturraums gestellt wurden.
„Diese Entscheidung ist eine Ohrfeige für die Stadt Flensburg“, sagt der BUND-Landesvorsitzende Dietmar Ulbrich. „Das Urteil bestätigt, dass Klima- und Naturschutz und insbesondere gesetzlich geschützte Biotope in der Bauleitplanung ernst genommen werden müssen. Für die Zukunft muss die Stadt Flensburg als Antwort auf den Klimawandel eine ausreichende Durchgrünung des Stadtgebietes und Überschirmung mit Bäumen sicherstellen, wenn sie die Anforderungen der EU-Wiederherstellungsverordnung erfüllen und die Erwärmung der Stadt mindern will.“
Die Stadt Flensburg hatte die Bauleitplanung zur Errichtung eines Hotels und eines Parkhauses an ihrem Bahnhof im Juni 2020 beschlossen. Daraufhin hatte sich die Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburg gegründet und Kontakt zum BUND SH aufgenommen. Einige Aktivisten besetzten ab Oktober 2020 den Bahnhofswald mit Baumhäusern. Ende Februar 2021 rückte frühmorgens bei tiefem Frost ein Fäll-Kommando des privaten Investors an, die Polizei räumte das Waldstück gegen den großen Widerstand der Naturschützer*innen.
Gegen die Baugenehmigung der Stadt Flensburg vom Januar 2021 hatte der BUND SH erst einen Widerspruch und dann im November 2021 Klage eingereicht. Da der Hotel-Bauträger trotzdem mit massiven Erdarbeiten begann, erwirkte der BUND SH beim Verwaltungsgericht per Eilbeschluss einen Baustopp. Dagegen legten die Stadt Flensburg und der Bauträger Beschwerde ein. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) wies im Mai 2023 diese Beschwerde zurück, bestätigte den Baustopp und äußerte massive Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans und der Genehmigung. Das Verwaltungsgericht folgte nun der Urteilsbegründung des OVG in wesentlichen Punkten.
Ole Eggers, Landesgeschäftsführer des BUND SH, dankt der Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburg für die sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit. „Lokale Kenntnisse und zivilgesellschaftliche Motivationen, langjährige Erfahrungen der Flensburger Kreisgruppe und des Landesverbands im Zusammenspiel mit der hervorragenden Anwaltskanzlei PNT aus Hamburg haben zu diesem überzeugenden Verhandlungserfolg geführt.“